Geschichte der Juden in Polen

Polnische Jüdinnen und Juden des 17. und 18. Jahrhunderts in typischer Kleidung

Die Geschichte der Juden in Polen beginnt im späten 10. Jahrhundert und reicht von einer langen Periode religiöser Toleranz sowie relativen Wohlstands bis zur fast vollständigen Vernichtung der jüdischen Bevölkerung während der deutschen Besetzung Polens.

Seit seiner Konsolidierung ab 960 galt das Königreich Polen als einer der religiös tolerantesten Staaten Europas. Mit dem 1264 von Herzog Bolesław dem Frommen (1224–1279) erlassenen Statut von Kalisz und der 1334 erfolgten Ergänzung durch König Kasimir den Großen (1310–1370) im Statut von Wiślica erhielt die jüdische Bevölkerung weitgehende Rechte zugestanden, und Polen wurde zur Heimat für eine der größten und vitalsten jüdischen Gemeinden der Welt. Die Schwächung der polnisch-litauischen Union durch feindliche Invasionen sowie interne soziokulturelle Veränderungen, die protestantische Reformation und die katholische Gegenreformation, beeinträchtigen jedoch die Lage der jüdischen Bevölkerung Polens ab dem 17. Jahrhundert.

Nach den Teilungen und der Auflösung Polens als souveränem Staat 1795 wurden die polnischen Juden Untertanen der Teilungsmächte Russland, Österreich und Preußen. Dank der Wiedererlangung der Unabhängigkeit 1918 in Folge des Ersten Weltkrieges, entstand in Polen erneut eine der größten jüdischen Gemeinden der Welt, deren Platz in der polnischen Gesellschaft allerdings durch wachsenden Nationalismus belastet wurde.[1]

1939 lebten vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in Polen schätzungsweise 3.480.000 Juden, etwa 10 Prozent der damaligen Gesamtbevölkerung. Rund 90 Prozent von ihnen wurden während der Besetzung des Landes von den deutschen Nationalsozialisten ermordet, weiteren gelang die Flucht ins Ausland. Viele Polen riskierten das Leben ihrer gesamten Familie, um Juden vor der Vernichtung durch die deutschen Nationalsozialisten zu retten.[2][3] Der im katholisch geprägten Polen existierende Antisemitismus führte jedoch auch dazu, dass sich einige Polen trotz antideutscher Haltung an der Verfolgung und Ermordung von Juden beteiligten, wie etwa im Massaker von Jedwabne.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es im zunächst unter bürgerkriegsähnlichen Zuständen leidenden und anschließend kommunistisch dominierten Nachkriegspolen wiederholt zu Ausschreitungen gegen Juden, wie etwa 1946 im Pogrom von Kielce.[4] Die meisten der bis zu 240.000 polnischen Juden, die den Holocaust überlebt hatten, wanderten schließlich in Folge der ab 1968 staatlich geförderten antisemitischen Kampagne der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei aus der Volksrepublik Polen aus, viele von ihnen in den neu gegründeten Staat Israel.

Die heutige jüdische Gemeinde in Polen zählt etwa 8.000 bis 12.000 Mitglieder, wobei die tatsächliche Zahl der polnischen Juden höher sein dürfte.

  1. William W. Hagen: Before the „Final Solution“: Toward a Comparative Analysis of Political Anti-Semitism in Interwar Germany and Poland. In: The Journal of Modern History, Vol. 68, No. 2 (Juni 1996), S. 351–381
  2. Bezeichnend hierfür ist das Leben des Ehepaars Józef und Wiktoria Ulma, die in ihrem Haus einer jüdischen Familie vor der Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten Schutz gewährt hatten und aufgrund einer Denunziation in die Fänge der Gestapo gerieten. In der Folge bezahlten sie den Judenrettungsversuch mit ihrem Leben und dem ihrer sechs seiner kleinen Kinder. Ein weiteres Kind wäre wenige Tage nach ihrer Hinrichtung geboren worden.
  3. Ilu Polaków naprawdę zginęło ratując Żydów? In: CiekawostkiHistoryczne.pl. (ciekawostkihistoryczne.pl [abgerufen am 25. Februar 2018]).
  4. Ben-Sasson, Haim Hillel, et al.: Poland. In: Michael Berenbaum und Fred Skolnik (Hrsg.): Encyclopaedia Judaica. 2. Auflage. Band 16. Macmillan Reference USA, Detroit 2007, S. 287–326 (Gale Virtual Reference Library [abgerufen am 17. August 2013]).

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